Das deutsche Krokodil ~ Rezension
Womit fällt man in Deutschland mehr aus dem Rahmen, mit einer dunklen Haut oder mit einer Leidenschaft für Thomas Mann und Richard Wagner?
Ijoma Alexander Mangold lautet sein vollständiger Name; er hat dunkle
Haut, dunkle Locken. In den siebziger Jahren wächst er in Heidelberg
auf. Seine Mutter stammt aus Schlesien, sein Vater ist aus Nigeria nach
Deutschland gekommen, um sich zum Facharzt für Kinderchirurgie ausbilden
zu lassen. Weil es so verabredet war, geht er nach kurzer Zeit nach
Afrika zurück und gründet dort eine neue Familie. Erst zweiundzwanzig
Jahre später meldet er sich wieder und bringt Unruhe in die
Verhältnisse. Ijoma Mangold, heute einer unserer besten
Literaturkritiker, erinnert sich an seine Kindheits- und Jugendjahre.
Wie wuchs man als «Mischlingskind» und «Mulatte» in der Bundesrepublik
auf? Wie geht man um mit einem abwesenden Vater? Wie verhalten sich
Rasse und Klasse zueinander? Und womit fällt man in Deutschland mehr aus
dem Rahmen, mit einer dunklen Haut oder mit einer Leidenschaft für
Thomas Mann und Richard Wagner? Erzählend beantwortet Mangold diese
Lebensfragen, hält er seine Geschichte und deren dramatische Wendungen
fest, die Erlebnisse mit seiner deutschen und mit seiner afrikanischen
Familie. Und nicht zuletzt seine überraschenden Erfahrungen mit sich
selbst.
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Hardcover, Rowohlt Verlag - 18.08.2017, 352 S., 19,95 € |
Ijoma Mangold, 1971 in Heidelberg geboren, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in München, Bologna und
Berlin. Start ins Berufsleben bei der "Berliner Zeitung". Von 2001 bis
2009 Feuilleton-Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", seither bei DIE
ZEIT. Moderierte zusammen mit Amelie Fried die ZDF-Literatursendung "Die
Vorleser". Träger des Berliner Preises für Literaturkritik.
Gastprofessuren in Göttingen und St Louis. (Quelle: http://www.zeit.de)
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Herr Mangold erzählt in seiner Biografie von seinem Leben und einer Identitätsuche. Er erinnert sich zurück. Zurück an seine Kindheit - an seine Jugend - an Erlebnisse, die ihn prägten. Was heißt es als schwarzer Junge in einer größtenteils weißen Gesellschaft aufzuwachsen, darüber hinaus ohne Vater. Denn sein Vater ist nach seiner ärztlichen Ausbildung zurück nach Nigeria gegangen, um sein Wissen & Können dort anzuwenden - dort gründet er auch eine neue Familie. Für Ijoma bedeutete das, mit seiner alleinerziehenden Mutter unter bescheidene Umständen in Heidelberg aufzuwachsen. Wie er damit umgeht, besonders aufzufallen bzw. für seine 'Exotik gefeiert zu werden'.
Nach 22 Jahren meldet sich schließlich sein Vater aus Nigeria. Ijoma erfährt von seinen 4 Halbschwestern und trifft sich schließlich mit seiner Schwester Ikunna, die in Heidelberg Medizin studiert. Die Einladung seines Vaters, Nigeria und seine Familie dort kennenzulernen, nimmt er schließlich an und begibt sich auf die Reise nach Lagos.
In Ijoma Mangolds Heimatdialekt, dem Kurpfälzischen, gibt es eine ulkige Frage nach jemandes Herkunft, die lautgetreu aufgeschrieben noch weitaus exotischer klingt als sein Name: Wemmgherschndu? („Wem gehörst denn du?“) Wenn man so will, hat Mangold mit seinem Buch die sehr ausführliche Antwort auf diese Frage gegeben. Die Kurzform steht in der Widmung: „Meiner Mutter“. Es ist, neben vielem anderen, das schönste und bewegendste Mutterbuch, das man sich denken kann. (Jan Wiele - FAZ
Ijoma Mangold hat einen einzigartig einnehmenden Schreibstil und berichtet in einer Art und Weise, die ich selten gelesen habe. Das Buch nimmt einen wirklich vollständig ein. Man saugt es regelrecht
ein. Ich habe mir so viele Passagen markiert, nochmals gelesen und
darüber nachgedacht. Bisher habe ich keine einzige Biografie gelesen, die mich so berührt hat. Von ernsten bis hin zu höchst komischen Passagen findet man in diesem Buch eine ganze Bandbreite der Gefühlswelt, die man beim Lesen auch komplett durchlebt. Daher hat es etwas gedauert, eine Rezension zu vefassen. Das Buch liest sich so schnell - so gut - aber es ist eine Kost, die man nicht schnell mal zur Seite legen kann und wieder vergisst. Man forscht nach - ich sah Interviews, las Kritiken und Artikel des Mannes. Ich wollte nach Beenden der autobiografischen Erzählung nicht, dass es wirklich "zu Ende" ist.
Fazit
Ich würde mich wirklich freuen, wenn er weitere Werke veröffentlicht, denn sein Stil, den Leser vollständig einzunehmen ist berauschend. Ich lege diese Autobiografie wirklich jedem nah, die sich für Bücher rund um Identiätsfindung, Suche nach sich selbst und dem großen Drang, mehr über diesen bewundernswerten Mann zu erfahren.
Ich danke dem Rowohlt - Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplares. Ich hatte wahnsinnig gute Lesestunden!
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